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29. November 2023 | Der Papst schickt den deutschen Bischöfen einen bösen Brief

Kommunikation mit Störgeräuschen: Der Papst schickt den deutschen Katholiken einen Brief mit klaren Ansagen. Doch die eigentlichen Adressaten scheren sich nicht darum. Die katholische Kirche in Deutschland soll umgebaut werden: mehr Frauen, mehr Laien, mehr Demokratie. Papst Franziskus geht das zu weit. Doch die Bischöfe kümmert das nicht. | Download Dokument


Autor: Prof. Jan-Heiner Tück
Quelle:
NZZ

Den einen kann die Reform der Kirche nicht schnell genug gehen,
der Papst zieht rote Linien: Kundgebung auf dem Kirchentag in Stuttgart.

Das klassische Medium der Kommunikation des Papstes und der römischen Kurie ist der Brief. Jahrhundertelang wurden über das weltweite Netz der Nuntiaturen versiegelte Briefe an Könige und Fürsten, an Bischöfe, Äbte und Theologen versandt. Auf Diskretion wurde dabei äußerster Wert gelegt. Diese Kommunikationspraxis hat sich unter Papst Franziskusgrundlegend geändert. Franziskus, der schon jetzt mehr Interviews gegeben hat als alleseine Vorgänger, war wiederholt im italienischen Fernsehen zu Gast. Wenn er Briefeschreibt, dann kalkuliert, um Zeichen zu setzen, die publik werden. Dabei interessiert, wem er wann etwas schreibt – und wem nicht.

So hat er jüngst nicht den deutschen Bischöfen und nicht dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die gemeinsam für den Reformprozess des Synodalen Weges in Deutschlandverantwortlich sind, geschrieben, sondern einem Quartett von Frauen, die den Synodalen Weg aus Protest verlassen haben. Die Dissidentinnen – drei Theologinnen, eine Philosophin– hatten Franziskus ihre Bedenken gegenüber der Methode und der teilweise sehr weitreichenden Reformagenda mitgeteilt.

In seinem Antwortbrief weist Franziskus diese Bedenken nicht zurück, sondern bestätigt sie. Das ist für die Mehrheit der deutschen Bischöfe – gelinde gesagt – ein brisanter Vorgang. Auch Franziskus betrachtet den Reformprozess im Land der Reformation mit Sorge und lehnt die gerade vorgenommene Konstituierung eines Synodalen Ausschusses ab, der ein neues, gemischt besetztes Leitungsgremium der Kirche in Deutschland vorbereiten soll. Zugleich will der Papst die sakramentale Struktur der Kirche nicht zur Disposition gestellt sehen.

Rote Linien

Der Brief kommt für das Präsidium des Synodalen Ausschusses in Deutschland zur Unzeit. Gerade erst ist die Bischofssynode in Rom zu Ende gegangen – und federführende Akteure des deutschen Reformprojektes hatten in kirchlichen Medien verbreitet, der Synodale Weg in Deutschland liege ganz auf der Linie des Synodalen Prozesses von Papst Franziskus. Dieser kühnen Selbstbeschreibung hat der Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Schönborn, klar widersprochen. Nun artikuliert der Pontifex selbst sein Unbehagen. Die Störgeräusche zwischen Rom und Deutschland sind nicht mehr überhörbar.

Schon vor Beginn des Synodalen Weges hatte der Papst 2019 in einem offenen Brief an das Gottesvolk in Deutschland angemahnt, den «Primat der Evangelisierung» nicht zu vergessen. Dieses Anliegen hat man in Deutschland allenfalls halbherzig aufgenommen. Dann trafen Mahnbriefe von römischen Dikasterien ein, die rote Linien zogen – darunter die Warnung, dass das Kirchenrecht nicht gestatte, auf den unterschiedlichen Ebenen der Kirche ein System von Synodalräten einzuführen. Auch die Gespräche beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom sind in eher unterkühlter Atmosphäre verlaufen.

Trotz den Störgeräuschen darf man nicht übersehen, dass es gemeinsame Reformabsichten gibt. Der Synodale Weg in Deutschland hat den Skandal des sexuellen und geistlichen Missbrauchs aufgenommen und konsequent nach systemischen Ursachen der Vertuschung gefragt. Das kann auch der Papst nur begrüßen. Die Kritik an klerikaler Selbstgefälligkeit mit der Forderung nach mehr Beteiligung von Laien in der Kirche wird auch von Franziskusgeteilt.

Warnungen aus Rom

Schließlich ist klar, dass die Bischöfe in demokratischen Gesellschaften nicht mehr wie Barockfürsten durchregieren können. Die Suche nach einer synodalen Einbettung episkopaler Leitung ist ebenso ein Anliegen des Papstes wie ein pastoral sensiblerer Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und queeren Personen, solange dabei das Sakrament der Ehe nicht aufgeweicht wird.

Erhebliche Differenzen gibt es im Stil und im institutionellen Format. Während Franziskus den Synodalen Prozess der Weltkirche als einen Prozess versteht, bei dem zunächst in Ruhe über alles gesprochen wird, um die Diversität der Perspektiven wahrzunehmen, ist das Format des Synodalen Weges als eine Art Kirchenparlament angelegt, das im Nachgang zum Missbrauchsskandal eine enggeführte Reformagenda traktiert.

Die Debatten werden von durchsetzungsstarken Akteuren dominiert, der Ton ist oft polemisch. Franziskus hat deutlich gemacht, Synodalität bedeute nicht, dass Mehrheiten Minderheiten überstimmten. Die Forderung nach mehr Demokratie in der Kirche, nach Mitbestimmung des Volkes bei der Besetzung von Kirchenämtern, nach Weiheämtern auf Zeit geht dem Pontifex zu weit. Mehrmals hat er vor einer «Klerikalisierung der Laien» gewarnt.

Dabei kann er an soziologische Einsichten anschließen. Politik und Kirche sind grundverschiedene Funktionssysteme. Kategorien der parlamentarischen Demokratiekönnen deshalb nicht eins zu eins auf die Kirche übertragen werden. Schon Ernst-Wolfgang Böckenförde notierte: «Die Kirche hat ihren Grund und ihr Ordnungsprinzip nicht im Willen der Gläubigen und konstituiert sich nicht daraus; demokratische Organisationsprinzipien sind daher auf die Kirche nicht übertragbar, ohne Gefahr zu laufen, sich selbst zu entfremden.»

Ein Akt der Widerborstigkeit

Dennoch muss die hierarchisch verfasste Kirche auf die veränderte Umwelt demokratischer Gesellschaften reagieren, um nicht an Plausibilität einzubüßen. Für Franziskus geschieht dies durch die Stärkung kollegialer und synodaler Elemente. So wie er die Ausübung des Primats an kollegiale Beratungsorgane gebunden hat – den Kardinalsrat und die

Bischofssynode –, so will er auch die Pragmatik des Bischofsamts stärker in synodale Verständigungsprozesse einbinden. Die Leitungskompetenz der Bischöfe, die in der sakramentalen Ordination verankert ist, will er dabei nicht antasten.

Genau dies geschieht beim Synodalen Weg in Deutschland. Hier wird die Denkfigur der «freiwilligen Selbstbindung» der Bischöfe beschworen. Was der Synodale Rat, ein von Laien und Bischöfen besetztes Leitungsgremium, mehrheitlich bestimmt, das soll das bischöfliche Handeln bestimmen. Mancher Bischof, der sich mit sanftem Druck auf dieses Modell der freiwilligen Selbstbindung eingelassen hat, könnte sich schon bald als Gefangener volatiler Mehrheiten wiedersehen.

Der Papst wittert hier zu Recht einen Umbau der bischöflichen Verfassung, während Akteure des Synodalen Weges, darunter auch Bischöfe, dies vehement abstreiten. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat den Brief des Papstes soeben im Berliner Hotel Titanic beiseite gewischt und sich geschlossen hinter den Synodalen Ausschuss gestellt. Das wird man in Rom als Akt deutscher Widerborstigkeit interpretieren. Auf die nächste Post des Papstes darf man gespannt sein.


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