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07. September 2022 | Die Kirchenlehrerin Katharina von Siena zum Synodalen Weg

Ein Interview von Marianne Schlosser | Download Dokument


Autor: Prof. Marianne Schlosser
Quelle:
Erstveröffentlichung
Das Interview mit Katharina ist leicht gekürzt. Getilgt wurden Äußerungen wie: Bischöfe sollten sich benehmen „wie ein erwachsener Mann, nicht wie ein Säugling“. Alle Aussagen beruhen auf den Briefen Katharinas (Br.) und dem Buch „Dialog mit der göttlichen Vorsehung“ (D.).

Liebe Schwester Katharina, Du bist 1970 zur Kirchenlehrerin erklärt worden. Kannst du in einem Satz dein theologisches Profil umschreiben? Was wolltest du lehren?

 Die Kirche zu lieben, weil sie „das Schatzhaus der Erlösung“ ist. In der Kirche findet man, was Jesus Christus den Menschen geben wollte, sein Herz (Br. 163.75, D.27).

Das klingt sehr mystisch! Kann man das heute vermitteln, wo die Kirche in den Augen vieler eine menschlich-allzumenschliche Institution ist, mit Nachholbedarf betreffend demokratische Standards?

Von außen betrachtet, scheint die Kirche oft wenig anziehend... das war zu meiner Zeit nicht anders! Der Papst schien eine Schachfigur der französischen Politik, Würdenträger kümmerten sich „um den Lehm der zeitlichen Dinge, statt um das Gold der geistlichen Güter“. „Viele leben von der Kirche, aber nicht für sie“; sie verdanken ihr alles: Lebensunterhalt, gehobene Position, und geistliche Güter!, aber „sie wollen nicht mit ihrer Liebe bezahlen!“ (vgl. Br.177.371)… Doch um das Wesen einer Sache zu verstehen, muss man nach ihrem Ziel fragen; und erst dann kann man beurteilen, was sich ändern soll. Mir scheint, ihr fragt nur, wie ihr die Kirche gern hättet! Ich habe Gott gefragt, was Er mit der Kirche vorhabe, und Er hat mir erklärt, wozu Er sie braucht: für unsere Heiligung.

 Kannst du das etwas erläutern?

 Ohne die Kirche wüssten wir von Jesus kaum mehr etwas; und wir würden die Berührung durch seine Liebe in den Sakramenten entbehren. Das ist der Schatz der Kirche, ohne ihn gäbe es sie nicht. „Ich sah, dass die Braut Kirche in sich eine solche Lebensfülle trägt, dass niemand sie umbringen kann“ (Br.371). Wenn dir nun ein kostbares Geschenk von deinem geliebten Herrn angeboten wird, wirst du es nicht zurückweisen, nur weil der Überbringer schmutzige Kleider anhat, oder? (D.120). Wer sich einredet, er könne sich von der sichtbaren Kirche trennen, ohne dass seine Beziehung zu Christus Schaden nähme, ist verblendet! „Man kann das Blut (der Erlösung) nicht haben, wenn man sich vom Leib (der Kirche) trennt“ (Br.171).

Du gibst mir das Stichwort: „Schmutz“. Viele sind skandalisiert über die Sünden gerade von Priestern, manche behaupten, Vergehen und deren Vertuschung seien „systemimmanent“…

 (seufzt schwer) Es ist wahr, „wegen der Sünden der Priester wird das Blut missachtet“ (D.122). Aber sie sind nicht mit dem Wesen der Kirche oder des Priesteramtes verbunden, sondern im Gegenteil: sie sind Verrat an ihr, an ihrer Lehre, an den Gläubigen und am empfangenen Amt! (Br.272) Die der Kirche zugefügten Wunden drückten auf mein Herz, bis es zuletzt brach... Was für ein furchtbares Ärgernis, wenn diejenigen, die den Guten Hirten vergegenwärtigen sollen, so träge sind, ja sogar Böses tun und dem Widersacher zuarbeiten.

 Du sprachst oft von „riformazione“: Was muss sich ändern?

Das Herz. Jedes Herz. Und das ist nur möglich, wenn man sich von der Liebe Christi anschauen lässt.

 Du hast aber auch ziemlich rigorose Maßnahmen gefordert: „Die stinkenden Pflanzen aus dem Garten der Kirche auszureißen!“ (Br.206.270)

 Das „Ausreißen“, also die Amtsenthebung, ist nicht jedermanns Aufgabe. Im Unterschied zum mahnenden Wort, das eine Pflicht der Liebe ist: auf diese Weise bewegt man den „schmutzigen Boten, sich anständig zu kleiden“. Wenn jemand jedoch anderen schadet und sich der Zurechtweisung verschließt, muss er abgesetzt werden, um weiteres Unheil zu verhindern. Das ist die Aufgabe des Papstes, auch der Bischöfe (Br.341). Auch „Einpflanzen“ gehört dazu: aufrichtige, seeleneifrige Hirten einsetzen! Wer Verantwortung übernommen hat, muss von seiner „Macht Gebrauch machen, andernfalls wäre es besser gewesen, auf die Übernahme des Amtes zu verzichten“. Auch Nicht-Gebrauch der Vollmacht ist deren Miss-Brauch, und hat ein strenges Urteil Gottes zu erwarten (Br.255.364)!

 Das fordert ziemlich Courage…

Es gibt Leute, die weder den Mitmenschen noch Gott lieben, nur sich selbst; und um sich Ärger zu ersparen, tun sie anderen deren Willen: Hirten streichen Salben auf Wunden, die dann eitern, anstatt diese zu desinfizieren (Br.185.291). Nachgiebigkeit ist grausam, wenn sie andere ins Verderben laufen lässt! Echte Liebe gibt nicht Schmeicheleien Gehör, noch lässt sie „sich von Undankbarkeit, Nachstellungen oder Verleumdungen abschrecken“ (Gebet II,11). Wir können zu dieser Art von Tapferkeit nur gelangen, wenn wir uns an das Kreuz Christi halten. Er hatte solch einen „Durst nach dem Heil der Seelen“, dass er die Kreuzigung auf sich nahm.

Bei uns wird jedenfalls viel öffentlich Kritik geübt, Rücktritte werden gefordert...

 Es ist eines, für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten, und etwas anderes das Verlangen, andere an den Pranger zu stellen. Von Gehässigkeit und Verleumdung will ich gar nicht reden, dadurch „berauben sich manche selber der Gnade!“ Sogar das „Richten“ über andere, selbst wenn du im Recht zu sein scheinst, „trübt die Lauterkeit der Seele und entfernt sie von Gott“: Verachtung, Selbstgefälligkeit, verborgener Groll, ja Lust an der Empörung über die Vergehen anderer können sich einmischen. Ach, wir können uns so leicht über die eigenen Motive täuschen - und sogar über die tatsächliche Sachlage! (D.98-105).

 

Gibt es ein Kriterium für wahren Eifer?

Bloßes Entsetzen und Abscheu ist noch kein Zeichen von heiliger Gerechtigkeit. Wenn jemand Sünde wirklich im Licht Gottes erkennt, dann fühlt er sich zum Gebet gedrängt, ein übernatürliches Mitleid steigt auf, weil die Sünde der Feind aller Menschen ist. Niemand ist so gut, dass er nicht irgendeiner Gefährdung ausgesetzt wäre! Trägt nicht unser eigener Mangel an Heiligkeit zu der Misere bei? Schaue jeder in sein Herz! Mehr sage ich nicht. (D.98)

 Viele fordern, die Sexualmoral der Kirche müsse sich ändern, da von der Lebenswirklichkeit der Menschen zu weit weg. Hattest du je mit solchen Fragen zu tun?

Zu meiner Zeit kannte ich niemanden, der die Lehre hätte verändern wollen - trotz aller Art Vergehen gegen die Keuschheit, auch unter Priestern. Die Oberen taten oft so, als sähen sie es nicht (D.122). Was Gott mich hat über das Elend dieses Lasters erkennen lassen, habe ich in meinem „Buch“ niedergeschrieben (D.113.121-125). Ich hielt es für ein Haupthindernis der Reform. Mehr sage ich jetzt nicht. – Aber grundsätzlich: Jeder Mensch hat die Tendenz zu verkehrter Eigenliebe, in verschiedenen Gestalten: Herrschsucht, Besitzgier, Wollust, Verlangen, beliebt zu sein… und manche bemänteln ihre Selbstbezogenheit als „Liebe“ (Br.17). Wenn jemand dieser Eigenliebe folgt, „erscheint ihm süß, was bitter ist, und das Süße findet er bitter“ (Br.315), d.h. die heilsamen Gebote Gottes missfallen ihm! Die Eigenliebe verstellt den Blick auf die Wahrheit, dass wir nicht heilig sind, Gott aber unsere Heiligung ersehnt. Und gerade die Sünden gegen die Keuschheit stumpfen das Gespür für Gott ab, wie unser Bruder Thomas in seiner „Summa“ erklärt.

 Wenn nun jemand fragt: Woher wissen wir so genau, was Gott gefällt?

 Kennt ihr die Gebote nicht? Habt ihr die Gestalt Jesu, die menschgewordene Wahrheit, aus dem Blick verloren? Man muss auf Ihn schauen, um zu begreifen, dass uns die Gebote aus Liebe gegeben sind; dann werden wir fähig, sie zu halten (D.21.29 u.ö.). Und die Heiligen aller Jahrhunderte sind Zeugen der Nachfolge Christi: „Sie waren gerade so Menschen wie wir, und Gott ist heute genau so mächtig wie damals, er ändert sich nicht.“ (Br.88, D.36) Wenn Änderungsvorschläge für die Morallehre dem einmütigen Zeugnis der Heiligen widersprechen, wäre für mich die Sache klar (vgl. Br. 239).

Es lässt mir keine Ruhe: Bei uns wurde in einem repräsentativen Gremium die Frage gestellt, ob es das Priestertum in der katholischen Kirche überhaupt braucht, die Mehrheit möchte darüber diskutieren ...

Du könntest jedem Gremiumsmitglied, auch jedem Bischof diese Frage stellen: Wozu er, persönlich, einen Priester braucht? Vielleicht würde dann doch wieder klar, dass auch die Gläubigen keine Verwaltungsfachleute oder Manager brauchen. Sondern das, was eben die sakramentale Weihe zum Priester bewirkt: zu geben, was Gott selbst auf diese Weise zu geben beschlossen hat - die persönlich vernehmbare Zusage der Vergebung für meine Sünden; die leibhafte Gegenwart Christi als Speise zum ewigen Leben... Was für ein Wunder der Fürsorge und Liebe Christi zu uns armseligen Menschen! Da siehst du, was die Kirche ist: nicht nur eine Versammlung von Gläubigen („corpo universale“), sondern eine Art Sakrament („corpo mistico“), weil uns hier in den einzelnen Sakramenten der Herr selbst berührt und in sein Herz zieht (vgl. D.24 Br.346).

Hättest Du nicht gern ein Amt in der Kirche gehabt? Z.B. Diakonin? Einige sehen dich als Patronin für die Frauenordination.

Diakonin? Das war kein Thema für mich. Zu meiner Zeit hatten Diakone übrigens nur als Archidiakone Bedeutung - vielleicht so etwas ähnliches, wie bei euch der Generalvikar? Gewiss, mit einem Amt ist eine besondere Verantwortung verbunden. Aber nicht alles hängt von Ämtern ab – viel mehr hängt von der Heiligkeit ab, zu der alle von Christus Erlösten berufen sind (Br.208.282). Ich sah mich auf der Seite der Braut Kirche, nicht auf der Seite derer, die als Hirten der Kirche dienen müssen. – Und noch etwas: Die höchste Berufung ist die zum Blutzeugnis. Ich wäre glücklich gewesen, wenn mir dies geschenkt worden wäre. Einmal war es fast so weit, beim Aufstand in Florenz 1378 (Br.295). Aber auch diese Berufung kann man sich nicht nehmen, es gibt kein Recht darauf. Doch wurde mir eine andere Art von Martyrium zuteil (Br.373).  

Du hast dich verausgabt, völlig verschenkt. Wie bist du damit umgegangen, dass Deine Mühen vielfach erfolglos schienen?

 

Nicht Erfolg oder Misserfolg zählen, sondern der Wille, Gottes Liebe zu antworten. Es gibt viele, die Gott dienen wollen, solange sie sich dabei gut fühlen. Wenn ihnen die geistlichen Gefühle entzogen werden, oder von außen Widerstand und böse Worte kommen, werfen sie gleich die Flinte ins Korn (D.129). O verkleidete Eigenliebe! Treue muss sich bewähren in Zeiten ohne Tröstung. „Seid nicht überrascht, wenn ihr sehr viel Widerstand bekommt, und wenn ihr sehen müsst, dass diejenigen, die uns helfen sollten, uns immer mehr enttäuschen, ja sogar gegen uns arbeiten“ (Br.218).

 

Bitte, hast Du noch ein Wort des Trostes für uns?

 

„Was auch immer geschah oder geschehen mag, Gott tut es, um die Kirche vollkommen zu machen“ (Br. 206). Werdet das Zweite Ich Christi, nehmt Abstand von eurem kleinkrämerischen Eigenwillen, vereinigt euch mit seinem Willen! Tragt das Kreuz der Sehnsucht nach dem Heil für alle Menschen! Nährt sie mit dem Wort der Wahrheit, eurem guten Beispiel, und betet für sie. Klopft an für die, welche nicht anklopfen!  Und habt Mut! „Auch wenn uns der Gegenwind ins Gesicht bläst, der alle hindern will, die auf dem Weg der Wahrheit gehen, dürfen wir nicht im Geringsten den Kopf wenden! Jetzt ist die Zeit, dem Herrn unsere Liebe zu zeigen, im Dienst an der Kirche.“ (vgl. Br.282)


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